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Apr

Traditionspflanze oder modernes Superfood?

Der „Wunderbaum“ Moringa und sein Potential in den Tropen

Heutzutage streben viele Leute nach einer vollwertigen, umweltfreundlichen und ethischen Ernährungsweise. Bezüglich dem ersten Aspekt ist es keine Seltenheit, dass, speziell in westlichen Ländern, viele Leute auf exotische Samen und Pulver, die reich an Makro- und Mikronährstoffen sind und zahlreiche Gesundheitsvorteile versprechen, zurückgreifen, sogenannte Superfoods. Quinoa, Goji-Beeren und Chia Samen sind nur ein paar Beispiele auf diesem breiten Spektrum an Lebensmitteln. Superfoods erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit. Der Export von Quinoa von den Andenstaaten nach Europa und Nordamerika zum Beispiel hat im letzten Jahrzehnt einen starken Aufschwung erlebt (Furche 2013). An den Orten hingegen, wo diese Pflanzenarten beheimatet sind, werden sie schon seit Jahrhunderten angebaut und genutzt und sind in ihrem natürlichen, frischen Zustand erhältlich. Die Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Gebrauch als medizinische Behandlungsstoffe über die Funktion als Lieferant von wichtigen Mikronährstoffen in der menschlichen Nahrung. Moringa oleifera, auch „Wunderbaum“ genannt (Thurber 2009), ist eine dieser erstaunlichen Pflanzen.

Moringa, ein kleiner Baum, der in seiner Gesamtheit verwertet werden kann und es auch wird, überzeugt mit seinen Wachstumsbedingungen: Er ist im Süden Asiens beheimatet, wird heute aber in den ganzen Tropen angebaut, so auch in Ostafrika. Er wächst gut in sandiger, entwässerter Erde, ist dürrebeständig und wächst schnell. Eine weitere erstaunliche Eigenschaft dieses Baumes ist, dass seine Früchte in der Trockenzeit geerntet werden können, dann also, wenn Knappheit an anderen Gemüsesorten besteht (Hirt 2001). Und auch wenn der Moringabaum für sein eigenes Wachstum nicht viel Wasser benötigt, hat er eine Eigenschaft, die sogar sehr viel mit H2O zu tun hat: die Aufbereitung von Wasser. Die Samen des Baumes werden dazu zerstossen, zu einem Pulver verarbeitet und mit verschmutztem Wasser vermischt. Diese Methode wird schon seit hunderten von Jahren zur natürlichen Gerinnung verwendet. Heute ist es wissenschaftlich erwiesen, dass durch sie zwischen 92 und 99% aller Partikel im verschmutzen Wasser gebunden und abgelagert werden können (Anwar 2007). Ein oder zwei Samen pro Liter Wasser in Kombination mit einem Stück Stoff für die Filterung reichen aus, um reines Wasser zu erhalten (Foidl). Trotz der Würdigung dieser bedeutenden Eigenschaft von Moringasamen durch die Wissenschaft ist sie nicht der Grund, warum Moringa allgemein als Superfood gehandhabt wird. Dieser Titel hat der Baum seinen Blättern zu verdanken, die über viele Mikronährstoffe verfügen und somit gerade in Regionen, wo nährstoffarmer weisser Reis und Mais als Grundnahrungsmittel dienen, ein grosses Potential haben. Die frischen Blätter enthalten alle essentiellen Aminosäuren und werden deshalb von der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) besonders für Kleinkinder und schwangere und stillende Frauen zum Verzehr empfohlen.

100 Gramm frische Moringablätter liefern nämlich dreimal so viel β-Carotin wie Karotten, siebenmal so viel Vitamin C wie Orangen und dreikommasechs mal so viel Kalzium wie Kuhmilch. 100g Blätter zu essen, um auf die empfohlene Tagesdosis für β-Carotin zu kommen, scheint allerdings eine grosse Menge zu sein, verglichen mit dem Verzehr einer mittelgrossen Karotte. Daher sollten Moringaerzeugnisse auch kein Ersatz für den Konsum von anderen gesunden, pflanzlichen Nahrungsmitteln sein, sondern vielmehr eine Ergänzung. Der Vorteil von Moringa in den Tropen ist jedoch seine Widerstandsfähigkeit, seine vielseitige Anwendung und die Tatsache, dass die Erzeugnisse des Moringabaums als Lieferant des breitesten bekannten Spektrums an Nährstoffen gelten (Khawaja 2010). Aus diesem Grund kann der Baum, bei mangelnder Versorgung mit anderen Lebensmitteln, als Minimalgarant für viele wichtige Mineralien, Vitamine und Aminosäuren dienen.

Neben dem Nährstoffgehalt und dem Einsatz als Wasseraufbereiter sind Moringaerzeugnisse in vielen Kulturen der Welt während Jahrhunderten in der traditionellen Medizin eingesetzt worden. Aktuell wird darum intensiv Forschung betrieben, um den Anspruch zu überprüfen, dass Moringaprodukte antibiotische, antioxidative und entzündungshemmende (sowie viele weitere) Effekte aufweisen, wie durch anekdotische Überlieferung bekannt ist (Razis 2014).

Was ist es also, das Moringa so einzigartig macht? Ist es tatsächlich ein Superfood? In ihrer natürlichen Umgebung, den Tropen, sind Moringabäume Allrounder: Sie schaffen es, verschiedene Gesundheits- und Umweltsbelange anzugehen, die vor allem in den Regionen eine Herausforderung darstellen, wo der Baum auch wächst: Mangelernährung, verunreinigtes Trinkwasser, erschwerter Zugang zu Medizinversorgung und das Ausbleiben von Regenfällen in der Trockenzeit, was den Anbau von anderen Erzeugnissen mit lebenswichtigen Mikronährstoffen erschwert. Speziell für Kleinbauern kann das Kultivieren von Moringabäumen zahlreiche Vorteile haben: Es kann eine ausgewogene Ernährung unterstützen, Einkommen generieren und gleichzeitig Ausgaben für teure Nahrungsergänzungsmittel einsparen. Die Bäume können zudem als natürlicher Windschutz agieren und Bodenerosion verringern (FAO). In diesem Sinne können Moringabäume zwar vielleicht keine Wunder vollbringen, aber super sein, das können sie.

Auch SAT hat das Potential des Moringabaumes erkannt und als Standard in seine Ausbildung miteinbezogen. Somit sprießt in jedem von SAT besuchten Dorf Moringa olifeira aus dem Boden.

Dieser Artikel bildet den Anfang einer Serie über Ernährungsfragen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und der von SAT geleisteten Arbeit, geschrieben von Karin Augsburger, einer Volontärin bei SAT. Der nächste Artikel wird sich mit dem Thema „Biologisches Vitamin A“ auseinandersetzen.

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Referenzen:

Farooq Anwar et al., Moringa oleifera: A Food Plant with Multiple Medicinal Uses, in: Phytotherapy Research, 21 (2007), 17-25.

Foidl N. et al., The potential of Moringa Oleifera for agricultural and industrial uses, in: http://www.forestlandscap.com/moringa-documents/the_potential_of_moringa_oleifera_for_agricultural_and_industrial_uses.pdf, 17.03.2016.

Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Moringa, in: Traditional Crop of the Month, http://www.fao.org/traditional-crops/moringa/en/, 17.03.2016.

Furche Carlos et al., International Quinoa Trade, in: Food and Agriculture Organization of the United Nations (Hg.), State of the art report of quinoa around the world in 2013, Santiago de Chile 2013, 316-329.

 

Hirt Hans Martin und Bindanda M’Pia, Natural Medicine in the Tropics, Winnenden 2001.

Khawaja Tahir Mahmood et al., Moringa oleifera: a natural gift – A review, in: Journal of Pharmaceutical Sciences and Research, 11² (2010), 775-781.

Razis Ahmad Faizal Abdull et al., Health Benefits of Moringa oleifera, in: Asian Pacific Journal of Cancer Prevention, 15 (2014), 8571-8576.

Thurber Melanie D. und Jed W. Fahey, Adoption of Moringa oleifera to combat under-nutrition viewed through the lens of the “Diffusion of Innovations” theory, in: Ecology of Food Nutrition, 48³ (2009), 212-225.

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