17
Jan

Wissen per Fahrradkurrier – Wie eine Hirtin in der Savanne Knowhow verbreitet

Hirtinnen der Tupendane Gruppe im Schatten einer Veranda
Pendo Ndemo (rechts im Bild) versammelt mit einigen Hirtinnen, die von ihr lernen. Im Hintergrund ihr Fahrrad.

«Das ist mein Fahrrad», sagt Pendo Ndemo und zeigt auf das silberne Rad, das hinter einer Gruppe von Massai Frauen geparkt steht. Die Frauen haben sich im Schatten einer Veranda versammelt. Draussen herrscht grellstes Licht. Ab und zu verrät ein heisser, trockener Luftzug, wie unbarmherzig es ohne das schützende Dach hier wäre. «Ich benutze das Fahrrad, um die Mitglieder der Tupendane Gruppe zu besuchen», fährt Pendo fort. Sie ist eine sogenannte Pastoralist to Pastoralist Facilitator (‘Ausbildnerin von Hirte zu Hirte’) und damit eine Schlüsselfigur bei der Verbreitung von Wissen und Können, das sie zuvor selber erfolgreich gelernt und angewendet hat.

gekreuzte Jungziege
Bitte stillhalten fürs Fotoshooting! Die aufgeregte Jungziege ist eine Kreuzung, welche den Massaifamilien Milch bescheren wird.

Pendos Gruppe, Nameloki (‘grosse Glück’), hat ihre Ausbildung bei SAT 2017 begonnen. «Seither haben wir viele Fortschritte erreicht. Wir haben 30 gekreuzte Ziegen und drei Kühe von einer Mutterkuh unserer traditionellen Rinderrasse und einem prächtigen Mpwapwa-Stier.» Diese Mischlinge sind kräftiger gebaut als die herkömmlichen Nutztiere aber dennoch sehr gut an die örtlichen Lebensbedingungen angepasst. «Natürlich fressen diese neuen Tiere etwas mehr. Aber Dank unseres Heuvorrats ist das kein Problem mehr.»

Was Pendo hier fast beiläufig erwähnt, ist Ausdruck einer tiefgreifenden Veränderung von Gewohnheiten. Üblicherweise würden die Massai mit ihren Herden die Savanne durchstreifen auf der Suche nach Weideflächen und Wasserlöchern. Besonders während der Trockenzeit müssen sie dafür riesige Distanzen zurücklegen.

Junger Massai in Heuschuppen
Baraka Matinda, ein FPC Hirte, präsentiert die Heuballen seiner Familie.

Durch das Projekt Farmers and Pastoralist Collaboration (‘Zusammenarbeit von Landwirt*innen und Hirt*innen’), FPC, haben diese Leute gelernt, eigene Weideflächen mit nährstoffreichen Futtergräsern zu unterhalten und Heuvorräte für die folgende Trockenzeit anzulegen. «Gewiss hatten wir unsere Methoden, um mit der futterarmen Trockenzeit umzugehen», erklärt Pendo. «Wir zäunten passende Wildgrasflächen ein, damit die Kühe diese Pflanzen nicht vorzeitig weggrasen. Zu gegebener Zeit führten wir die Tiere dann dorthin zum Weiden. Lange hielten diese Vorräte jedoch meistens nicht.»

Zusätzlich zu diesem Wandel ermutigt das FPC-Projekt die Hirt*innen auch dazu, Feld- und Gartenbau zu betreiben. Das erhöht ihr Bewusstsein dafür, was es bedeutet, wenn Kühe eine Ernte zertrampeln. Dies ist häufig ein Grund für heftige Konflikte zwischen Landwirt*innen und Hirt*innen. Solche Auseinandersetzungen zu reduzieren, ist eines der Projektziele. Vieles deutet darauf hin, dass der Lösungsansatz der Sensibilisierung funktioniert. Eine systematische Auswertung läuft. Gewissheit besteht hingegen bereits darin, dass die Massai ihre Ernährungsgrundlage durch Feld- und Gartenbau markant verbessern konnten.

Vieh vor einem durch Dornzweige umzäunten Wasserreservoir
Sie profitieren von den Wasservorräten aus der Regenzeit: Die Kühe der Tupendane Gruppe vor dem Dornzaun des Wasserresevoirs.

Letztlich aber funktioniert das alles nicht ohne Wasser. Deshalb unterstützte SAT die Nameloki-Gruppe dabei, ein grosses Reservoir zu bauen, wohin sie ihre Tiere zum Tränken führen können. Diese Wasserstelle liegt irgendwo im Labyrinth von kahlen Stämmen und meist nackten Ästen, welche der Umgebung das typische Farbenkleid der Trockenzeit aus Braun, Ocker und Gelb verleihen. Der Teich ist umschlossen mit einem Zaun aus dornenbesetzten Ästen und Zweigen. Wie effizient diese recht harmlos scheinende Umzäunung ist, zeigt sich schon nur, wenn man versucht, sie an einer Stelle zu öffnen. Zum Tränken der Kühe ist das auch nicht nötig. Bei Bedarf führt eine Pumpe das Wasser vom Teich zum ausserhalb gelegenen Betontrog.

«Genau so ein Reservoir benötigen wir auch», erklärt Nambeya Nyange im Hinblick auf die Pläne ihrer Gruppe, Tupendane, welche im April 2019 gegründet wurde. «Wir waren begeistert von dem, was sich in unserer Nachbarschaft plötzlich getan hat», fährt Nambeya fort. Angesprochen auf die Fortschritte, welche ihre Gruppe seither erzielt hat, erwähnen die Frauen in der Runde zwei besondere Punkte. Noch nie zuvor gaben ihre Kühe zu dieser Jahreszeit Milch. Und die Hirtinnen erzählen, dass sie nun auch aktiver Handel betreiben würden.

In ihren neu gegründeten Spar- und Leihgruppen gewähren sich die FPC Gruppenmitglieder gegenseitig Kleinkredite aus ihrem gemeinsamen Fonds. Diese Darlehen müssen in ein Geschäft investiert werden. «Die Männer», erzählt Theresia Makoretu, «benutzen die Kredite, um in der Nachbarschaft Ziegen zu kaufen und diese dann auf den umliegenden Märkten mit Gewinn zu verkaufen. Wir Frauen kaufen Produkte wie Seife im Grosshandel der Stadt ein und verkaufen sie in unseren Dörfern zum Einzelhandelspreis.»

bewirtschaftete Futtergraswiese
FPC Hirtinnen und SAT-Ausbildner, Johnson Mwakyusa, besprechen die anstehenden Arbeiten auf dieser Futtergraswiese.

Pendo Ndemo führt die Gruppenmitglieder von Tupendane aufs Schulungsfeld. Kraft ihrer praktischen Erfahrung und den Kompetenzen, die sie in einem Training für Ausbildner*innen erworben hat, vermittelt sie nun anderen Hirt*innen das nötige Rüstzeug. Ein ungeübtes Auge kann das Ausbildungsfeld kaum ausmachen. Nur die stachlige Umzäunung und die geringere Baumdichte verraten, dass da eine Fläche mit besonderem Zweck liegt. Hier bringt sich nun Johnson Mwakyusa, Ausbildner von SAT, ein. Er berät die Gruppe, wie sie mit dieser Grasfläche verfahren sollen, die wegen der geringen Regenfälle nicht wie erhofft gedeiht ist: «Lasst die Kühe hier rein zum Grasen. So werden sie das Weideland düngen. Und die ausgesäten Futtergräser werden später schneller wachsen. Diese mögen nämlich lichte Standorte.»

Wir verabschieden uns von den Frauen im Dorf Mingo. Johnson kurvt mit dem Motorrad geschickt um die kahlen Bäume und Sträucher, die den schmalen, sandigen Savannenpfad säumen. Die Landwirt*innen und Hirt*innen des FPC Projekts engagieren sich für den Schutz dieses faszinierenden Dickichts. Sie praktizieren Agroforstwirtschaft, was auch Aufforstung beinhaltet und sie lernen, Brennmaterial fürs Kochen nachhaltig zu produzieren und zu nutzen. Im Rückspiegel lösen sich die Häuser von Mingo langsam im dichten Netz des Geästs auf. Schon bald wähnt man sich kilometerweit weg von irgendeiner Siedlung. Dörfer wie Mingo sind ohne Farhzeug nur schwer zu erreichen.

Nameloki, Tupendane und alle weiteren 49 Gruppen der FPC mit insgesamt 1’660 Mitgliedern sind über eine Nachrichten-App auf ihren Mobiltelefonen miteinander und mit SAT verbunden. Und kaum sind wir zurück in Morogoro, kommt auch schon ein Handyvideo eingeflogen, das zeigt, wie Pendo die Tupendane Gruppe im Herstellen von Kompost unterrichtet.

Hirtinnen präsentieren stolz ihre Heuballen
Die Herstellung von Heuballen ist eine sehr nutzbringende Gewohnheitsänderung, die Pendo ihren Ausbildungsgruppen weitervermittelt.

Wir danken Biovision – Stiftung für ökologische Entwicklung – und dem Liechteinischen Entwicklungsdienst (LED) für die Unterstützung des Projekts FPC – Farmers and Pastoralist Collaboration.

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